Detaillierte Datenblätter

Sant’Antioco im Mittelalter

Nach dem Untergang des Weströmischen Reichs, der normalerweise auf das Jahr 476 n. Chr. angesetzt wird, fiel Sulky wie ganz Sardinien unter vandalische Herrschaft. Die Vandalen waren ein Volk germanischer Herkunft, dass sich während des 4. Jahrhunderts n. Chr. in Nordafrika angesiedelt hat; in Sant’Antioco haben die Vandalen sich ca. 80 Jahre niedergelassen, was unter anderem durch ein Grab belegt ist, in dem ein Mann zusammen mit seinem Pferd beigesetzt wurde. Die Anwesenheit der Vandalen führte wahrscheinlich zu einem schweren wirtschaftlichen Zusammenbruch aufgrund der Unterbrechung der Handelsbeziehungen mit Rom und der Halbinsel. Die Ausbreitung des Christentums kam jedoch nicht zum Erliegen und während des 5. Jahrhunderts ist in Sulky das Zusammenleben einer christlichen und einer jüdischen Gemeinschaft belegt, wobei letztere spätestens ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. belegt ist. Diese Gemeinschaften nutzen die punischen Grabstätten als Familiengräber zur gleichen Zeit und im gleichen unterirdischen Bezirk der Stadt (Abb. 1-2).

1
Abb. 1 - Dekor eines hebräischen Arcosols (aus: BARTOLONI 1989, Abb. 44).
2
Abb. 2 - Die Überreste der Darstellung des Guten Hirten in der Lünette des Arcosols C, am Ende des Korridors B (aus: TARAMELLI 1921, S. 149, Abb. 5).

Die Grabstätten nahmen unterirdische punische Kammern ein, verbanden sie miteinander durch Öffnungen nicht zu dicke Wände, organisierte den Raum auf diese Weise neu und nutzen die Wände sowie später auch den Boden für neue Beisetzungen, wie in den Katakomben von S. Antioco und Santa Rosa, die letztere unter der heutigen Basilika, während sich die Katakombe von S. Antioco seitlich, im Südosten des Gebäudes befindet (Abb. 3). In diesem Bezirk wurde der so genannte „Altar des Heiligen“ aufgestellt (Abb. 4), an dem die Abfolge der Abänderungen gut zu erkennen ist und der sowohl monumentalisch, als auch urbanistisch interessant ist.

3
Abb. 3 - Grundriss der Katakomben von Sant’Antioco und von Santa Rosa (aus: TARAMELLI 1921, S. 145, Abb. 1).
 
4
Abb. 4 - Sarkophag-Altar von Sant’Antioco, im Inneren der gleichnamigen Katakombe (aus: BARTOLONI 1989, Abb. 45).


Die Errichtung des Martyriums über dem Friedhof um das 5. Jahrhundert stellt einen Versuch der Monumentalisierung gemäß einer in der christlichen Antike verbreiteten Praxis. Das heute vorhandene und dem Heiligen geweihte Bauwerk ist nicht dasjenige aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., sondern es stammt aus der byzantinischen Zeit (6. bis 10. Jahrhundert n. Chr.) und wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrmals erweitert und umgestaltet (Abb. 5).

5
Abb. 5 - Die aktuelle Basilika von di Sant’Antioco, die aktuelle Fassade stammt aus dem 18. Jahrhundert (von http://www.diocesidiiglesias.it/iglesias/allegati/22878/basilica%20grande.jpg).

Die Epoche der byzantinischen Herrschaft begann offiziell im Jahr 534 n. Chr., nach dem Sieg des Feldherrn Belisar in Tricamarum bei Karthago (im heutigen Tunesien) gegen die Vandalen. Von diesem Zeitpunkt an gehörte Sardinien dem Oströmischen Reich an und wurde - zusammen mit Korsika und den Balearen - zu einer der 7 Provinzen des byzantinischen Afrikas, die Kaiser Justinian einrichtete; außerdem hatte Sardinien wie auch Numidien und Mauretanien, einen eigenen praeses und einen eigenen dux. Die Aufgabe des ersteren war die zivile Verwaltung, die des zweiten die militärische Verwaltung, mit Sitz in Fordongianus (dem antike Forum Traiani), dem strategischen Zentrum für die Kontrolle der Barbarizinen und der Völker im Zentrum Sardiniens (Abb. 6).

6
Abb. 6 - Das byzantinische Reich zur Zeit Justinians (von http://www.ilcasalediemma.it/writable/allegati/giustiniano+espansione1580.jpg).

 

Während der vorausgehenden vandalischen Periode durchlebten die christlichen Gemeinde Sardiniens eine Zeit der lebhaften Organisation. Sulky ist seit spätestens 484 Bischofssitz und bei dem Konzil von Karthago mit dem Bischof Vitale vertreten. Dieser Umstand legt die Vermutung nahe, dass die christliche Gemeinde von Sulis sich bereits mit einer Kultstätte für die Durchführung der Liturgie organisiert hatte, und, dass auch der Bischof über entsprechende Räumlichkeiten für die Durchführung seines Amts verfügte. Die Existenz eines Bischofssitzes impliziert daher die Errichtung eines Episkopalkomplexes und wie bekannt schreibt die Tradition diese Funktion der Wallfahrtskirche des hl. Märtyrers Antiochus zu, auch wenn die historische Gewissheit der Funktion als Kathedrale erst durch die Bulle von Onorius III. besteht, das Dokument, dass im Jahr 1218 festsetzte, dass dieser Ort „gemäß altem Brauch“ der Bischofssitz ist.
Während des Frühmittelalters wurde die Topographie des südlichen Teils von Sulky von einem Monumentalkomplex einer gewissen Bedeutung geprägt, der Castrum Sulcitanum genannt wurde und von dem heute nichts erhalten ist, vom dem es jedoch nützliche Beschreibungen von Vittorio Angius, von Alberto della Marmora, des Kanonikers Giovanni Spano sowie später von Dionigi Scano gibt; es ist ungewiss, wann und vom wem er errichtet wurde, ein interessanter Aspekt, der aus der Untersuchung der damaligen Stadt hervorgeht, ist jedoch der topographische Dualismus zwischen dem bischöflichen Komplex mit der Kathedrale und dem Castrum, das von diesem entfernt errichtet wurde, eine bekannte Praxis bei justinianischen Festungsanlagen, die vor allem in Afrika oft angewendet wurde.
Zu Anfang des 8. Jahrhunderts geriet Sardinien in das Ziel der Araber und die Insel Sant’Antioco bildete eines der Hauptziele der Überfälle. Als dies zum ersten Mal geschah, waren die Bewohner von Sulky unvorbereitet und konnten keinen Widerstand leisten, so dass die Araber die Stadt plündern und Gefangene machen konnten. In der Folgezeit häuften sich die Invasionen und die Bewohner waren gezwungen, im Hinterland Schutz zu suchen, was dazu führte, dass die Insel Sant’Antioco bis zum 10. Jahrhundert unbewohnt war. Die Überfälle der Sarazenen wurde während der ersten Hälfte des Jahrhunderts fortgesetzt und in dieser Periode trat die Figuren der Giudici auf, der Verwalter von Sardinien, die aufgrund der Isolierung durch die Piratenüberfälle über eine weitgehende Autonomie verfügten. Sardinien wurde in 4 Judikate unterteilt: Cagliari, Arborea, Torres und Gallura (Abb. 7).

7
Abb. 7 - Die Unterteilung Sardiniens in Judikate, um das 10. Jahrhundert (von http://sito24.com/templates/template.php?tipo=I%20Giudicati%20Sardi&nome=storica&siteid=24676).

Sant’Antioco gehört zum Judikat Cagliari. Im Jahr 1089 trat der Giudice von Cagliari, Costantin den Viktorinermönchen die Wallfahrtskirche von Sulci sowie das umgebende Territorium ab. Die Mönche bauten den durch die Überfälle halbzerstörten Kultbau wieder auf; die Arbeiten wurden am 13. Juli 1102 abgeschlossen und die Kirche wurde wieder eingeweiht. Erst im 18. Jahrhundert, der savoyischen Epoche, bevölkerte sich das Territorium nach und nach wieder und der heutige Ort Sant‘Antioco entstand: Die neuen Gebäude wurden auf den Überresten des antiken Sulky errichtet. Der ärmste Teil der Bevölkerung bezog einen Teil der punischen Nekropole und passte die unterirdischen Räumlichkeiten an die elementaren Wohnanforderungen an (Abb. 8).

8
Abb. 8 - Rekonstruktion in situ einer unterirdischen punischen Grabstätte, Ab dem 18. Jahrhundert als Wohnung genutzt (Foto von M. Murgia).


 

Bibliografia

  • P. BARTOLONI, Sulcis, Roma 1989.
  • A. BOSCOLO, La Sardegna bizantina e alto-giudicale, Sassari 1982.
  • R. MARTORELLI, Proposte metodologiche per un uso dei corredi funerari come fonte per la conoscenza dell'età tardoantica e medievale in Sardegna, in S. LUSUARDI SIENA (a cura di), Fonti archeologiche e iconografiche per la storia e la cultura degli insediamenti nell'alto medioevo. (Atti delle giornate di studio Milano-Vercelli 21-22 marzo 2002), Milano 2003, pp. 301-321.
  • L. PANI ERMINI, Ricerche nel complesso di San Saturno a Cagliari = Atti della Pontificia Accademia Romana di Archeologia. Rendiconti, Roma LV-LVI, 1982-1984, pp. 111-128.
  • L. PANI ERMINI, Complesso Episcopale e città nella Sardegna tardo romana e altomedievale, in A.M. GIUNTELLA (a cura di), Il suburbio delle città in Sardegna: persistenze e trasformazioni. Atti del III Convegno sull’Archeologia tardo romana e medievale in Sardegna (Cuglieri 1986), Taranto 1989, pp. 60-80.
  • L. PANI ERMINI, Sulci dalla tarda antichità al medioevo: note preliminari di una ricerca, in V. SANTONI (a cura di), Carbonia e il Sulcis. Archeologia e territorio, Oristano 1995, pp. 365-377.
  • G. RACHELI, L’arcipelago di Sulcis e la sua storia, Calasetta 1981.
  • A. TARAMELLI, Sardegna. S. Antioco-Esplorazione delle catacombe sulcitane di Sant’Antioco e di altri ipogei cristiani = Atti della Reale Accademia Nazionale dei Lincei. Notizie degli scavi di antichità, vol. 18, Roma, pp. 142-176.
  • R. ZUCCA, Forum Traiani alla luce delle nuove scoperte archeologiche, in A.M. GIUNTELLA (a cura di), Il suburbio delle città in Sardegna: persistenze e trasformazioni. Atti del III Convegno sull’Archeologia tardo romana e medievale in Sardegna (Cuglieri 1986), Taranto 1989, pp. 125-143.

Menu